Do., 09.02.2023 , 13:42 Uhr

Oberpfalz

Flüchtlingskrise: Oberpfälzer Politiker schlagen Alarm

Die zunehmende Überlastung der Kommunen und Landkreise durch die hohen Flüchtlingszahlen beschäftigt auch die bayerische Politik. Die Wahlkreisabgeordnete Susanne Hierl tauschte sich jetzt mit den Verantwortlichen im Wahlkreis aus.

Gemeinsam mit dem Amberger Oberbürgermeister Michael Cerny und dem Amberg-Sulzbacher Landrat Richard Reisinger sowie dem Neumarkter Landrat Willibald Gailler ist sich Wahlkreisabgeordnete Susanne Hierl einig, dass der Bundeskanzler das Problem nicht totschweigen darf. Die Bundestagsabgeordnete erklärt:

Der Kanzler muss die Flüchtlingsproblematik zur Chefsache machen! Die Aussagen der Landräte und des Oberbürgermeisters führen es klar vor Augen: Das Ausmaß des Problems ist gewaltig. Der Kanzler muss sich mit den Länderchefs und den kommunalen Verbänden an einen Tisch setzen und gemeinsame Lösungen finden. In solch einer Runde könnten Maßnahmen in Angriff genommen werden, die Abhilfe verschaffen. Nur so verhindern wir, dass wieder Menschen in Turnhallen übernachten müssen. Aber Scholz reagiert leider bislang, wie er es immer tut: Er ignoriert die Hilferufe aus den Kommunen und Landkreisen und verschleppt das Problem. Schon letztes Jahr wurden die kommunalen Verbände mit einem Pseudo-Gipfel von Innenministerin Faeser abgespeist, der keine nennenswerten Ergebnisse brachte. Dieses Spiel darf sich jetzt nicht wiederholen.

Der Oberbürgermeister und die Landräte schildern die drängende Situation vor Ort. Oberbürgermeister Michael Cerny bereitet insbesondere Sorge, dass die Kapazitäten der Kinderbetreuung zunehmend überlastet werden:

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben mehr als 560 Menschen bei uns in Amberg Zuflucht gefunden. Natürlich helfen wir den Menschen, die vor den Raketen, Bomben und Krieg geflohen sind, gerne und erfahren für diese Hilfe auch viel Dankbarkeit. Die im Vergleich zu den Landkreisen überdurchschnittliche Aufnahme verschärft dabei nicht nur die Situation auf dem Wohnungsmarkt, sondern z.B. auch die Raum- und vor allem Personalknappheit in den Kindergärten und Schulen. Wenn nun in den letzten Monaten wieder verstärkt zahlreiche Flüchtlinge aus anderen Teilen der Welt den Weg nach Deutschland suchen, dann sind jetzt zwingend Maßnahmen gegen illegale Zuwanderung und ergänzend eine finanzielle Unterstützung der Kommunen durch die Bundesregierung notwendig. Der Bund steht hier in der Verantwortung, um die Integration vor Ort nicht zu gefährden, aber auch um unsere engagierten Mitarbeiter und Ehrenamtlichen nicht zu überfordern.

Landrat Richard Reisinger warnt davor, dass die dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge am Limit sei:

Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck hat 2015 zur Flüchtlingskrise formuliert: ‚Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich.‘ Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung ist es 2015/2016 gelungen im Landkreis Amberg-Sulzbach eine hohe Zahl an Flüchtlingen unterzubringen. Vor einem Jahr hat Russland die Ukraine angegriffen. Wieder haben viele Menschen in unserem Landkreis Schutz gesucht. Auch dank vieler Vermieter, ehrenamtlichen Helfer und engagierten Landratsamtsmitarbeiter konnten wir für die Ukrainer ein Obdach finden u.a. haben wir als Landkreis zwei Flüchtlingsunterkünfte reaktiviert. Seit wenigen Monaten spitzt sich die Lage zu, da sich auch die Zahl der Flüchtlinge aus anderen Teilen der Welt wieder massiv erhöht hat. Das hat dazu geführt, dass die dezentrale Unterbringung am Limit angelangt ist. Wir haben ein zweistufiges Konzept entwickelt, dass Containerlösungen im Landkreis vorsieht. Dies sind aber keine Dauerlösungen, sondern zeitlich befristete Krisenmaßnahmen. Zugleich ist uns allen bewusst: Diese Krisenmaßnahmen werden mittelfristig nicht reichen, wenn die Bundesregierung bei der illegalen Einwanderung nicht mit konkreten Maßnahmen wie Rückübernahmeabkommen und einer besseren Verteilung der Flüchtlinge auf EU-Ebene umsteuert.

Landrat Willibald Gailler sieht außerdem die Gefahr, dass die Behörden die Flut an Anträgen nicht mehr bewältigen können:

Der Landkreis Neumarkt hat es mit erheblichen Anstrengungen bisher geschafft, viele Ukrainern, insbesondere Frauen und Kinder, aufzunehmen. In den letzten Monaten kommen auch wieder verstärkt Flüchtlinge aus anderen Teilen der Welt bei uns an. Diese Menschen alle unterzubringen ist nicht einfach. Zugleich bringt es aber auch die Verwaltung ans Limit, diese große Zahl an Zuwanderern zu betreuen, sei es in der Grundsicherung oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Deshalb brauchen wir ein Moratorium, was neue Aufgaben oder Leistungen angeht, die auf Landkreisebene bearbeitet werden müssen. Wir können die Zahl der Beschäftigten nicht beliebig vermehren, sowohl aus Platzgründen, als auch aus Kostengründen. Seit 2014 ist die Zahl der Beschäftigten des Landratsamts bereits von 440 auf 590 Mitarbeiter gestiegen. Zugleich gilt es bei der Migrationspolitik auf die Leistungsfähigkeit von Landkreisen wie Neumarkt zu achten. Wir haben schon heute kaum mehr freie Wohnungen oder Plätze an Schulen bzw. in Kinderbetreuungseinrichtungen, obwohl hier jedes Jahr hohe Millionenbeträge investiert werden. Auch deshalb braucht es zum einen eine wirksame Hilfe zur Bewältigung der aktuellen Krise und zum anderen mittelfristig ein stimmiges Gesamtkonzept, das Anspruch und Leistbarkeit durch die kommunale Ebene bei der Zuwanderung vereint.

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