Di., 08.03.2022 , 16:01 Uhr

Corona-Krise

Forderung: Selbsthilfe auch für Ungeimpfte

Selbsthilfe als vierte Säule des Gesundheitssystems muss niedrigschwellig und bedingungslos zugänglich sein! Dieser Meinung sind sieben Selbsthilfekontaktstellen und appellieren:

Hoffnungsvoll hat die Selbsthilfelandschaft in Bayern die 15. Infektionsschutzmaßnahmen­verordnung, die am 17. Februar 2022 in Kraft getreten ist, erwartet. Die Hoffnung, dass auch nicht geimpfte Menschen bald wieder Zugang zu Selbsthilfegruppen haben werden, war groß.

Das Vertrauen darauf, dass sich Politiker*innen aller Parteien darüber einig sind, Selbsthilfe als vierte Säule des Gesundheitswesens anzuerkennen, wurde schon im Dezember letzten Jahres stark erschüttert und ist mit dem Inkrafttreten der 15. Verordnung ganz verlorengegangen. Auch die jüngsten Erleichterungen zum 4. März 2022 bringen für die Selbsthilfe keine Verbesserungen.

In den aktuellen Verordnungen werden Treffen von Selbsthilfegruppen mit „privaten Treffen“ gleichgesetzt. Anders als Fortbildungen oder Gruppen, die von therapeutischen oder medizinischen Fachkräften angeleitet sind, können seit Ende Dezember ausschließlich geimpfte oder genesene Personen an den Gruppentreffen teilnehmen. Bei angeleiteten Gruppen gelten dagegen weder Kontaktbeschränkungen noch Nachweiserfordernisse – diese sind damit sonstigen pflegerischen, ärztlichen oder therapeutischen Leistungen gleichgestellt.

Damit wird Selbsthilfegruppen aufgrund ihrer Organisationsform – nämlich die der Selbstorganisation – die Relevanz faktisch aberkannt. Aus Sicht der Selbsthilfeunterstützung ist diese Unterscheidung weder nachvollziehbar noch gerechtfertigt, zumal die Zahl der Ungeimpften in den Gruppen eher unterdurchschnittlich ist.

Selbsthilfegruppen wurden nach dem ersten Lockdown im September 2020 als vierte Säule des Gesundheitssystems in ihrer Bedeutung gewürdigt. Die Gründe liegen auf der Hand: vor allem für chronisch kranke, behinderte, suchterkrankte sowie psychisch erkrankte Menschen bedeutet der regelmäßige Besuch der Selbsthilfegruppe nicht nur eine stabilisierende und gesundherhaltende, sondern oftmals unverzichtbare therapeutisch wirksame Unterstützung im Alltag mit der Erkrankung.

Aber auch Selbsthilfegruppen mit belastenden sozialen Themen, wie z.B. Mobbing, Alleinerziehende oder Diskriminierung haben für die Teilnehmenden eine oftmals präventive und gesellschaftlich integrierende Funktion, die ein Abrutschen in Isolation, Sucht oder Depression verhindern kann.

Die Mitarbeitenden in Selbsthilfekontaktstellen bekommen die Rückmeldung, dass sich Gruppen nicht mehr treffen, Einzelne ausschließen müssen oder sich sogar aufgrund der aktuellen Regelung (2G) wegen Konflikten oder Frustration auflösen. Gerade in der aktuellen Situation hoher psychosozialer Herausforderungen für benachteiligte, chronisch kranke und sozial schwache gesellschaftliche Gruppen können wir dieser Entwicklung nicht zuschauen: die somatischen Kliniken berichten von einer allmählichen Entspannung der Belastung, während die psychosoziale Versorgung und die psychiatrischen Kliniken von einer Zuspitzung und Überlastung auf ihren Stationen berichten.

Wenn die Selbsthilfe als vierte Säule des Gesundheitssystems ernst genommen wird, muss sie auch für alle Menschen entsprechend den anderen Angeboten des Gesundheitssystems niedrigschwellig und bedingungslos zugänglich sein.

Menschen, die sich in der Selbsthilfe engagieren, schaffen durch ihr ehrenamtliches Engagement in ihrer Gruppe neben der professionellen Versorgung zusätzliche, oftmals komplementäre, bedarfsorientierte gesundheitliche und psychosoziale Angebote. Diese schließen Lücken innerhalb unseres Versorgungssystems und können durch ihre Niedrigschwelligkeit auch marginalisierte Personengruppen ansprechen und einbeziehen.

Es erscheint uns gesundheits- und sozialpolitisch nicht verantwortbar, dass Menschen zum Friseur, zur Fortbildung und ins Fitnessstudio mit der 3G-Regel zugelassen werden und gleichzeitig von dem gesundheitlich bzw. psychosozial oftmals unverzichtbaren, spezifischen präventiven oder salutogenetischen Angebot der Selbsthilfe ausgeschlossen sind.

Die unterzeichnenden Selbsthilfekontaktstellen in Bayern:

(vl)

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