Do, 23.06.2022 , 16:28 Uhr

Immobilienentwicklung im ländlichen Raum: Quo vadis, Investoren?

Wer investieren möchte – ganz gleich, ob es einige zehntausend oder gleich mehrere Millionen Euro sind – der kann es sich schon seit geraumer Zeit nicht leisten, das Thema Immobilien zu ignorieren. Das „Betongold“, so diverse goldene Regeln, sollte in einem gut durchmischten Portfolio immer einen gebührenden Platz bekommen. Ganze Spezialunternehmen widmen sich dementsprechend nur dem Zweck, Mittel für die Entwicklung attraktiver Objekte bereitzustellen und somit Geldgeber und -empfänger in immobilen Belangen zusammenzubringen.

Allerdings steht und fällt der Erfolg dieser Investmentform wie keine andere mit der Lage der Immobilie(n). Eine gute Lage sei durch nichts zu ersetzen, außer einer noch besseren Lage, lautet ein weiterer – völlig korrekter – Sinnspruch aus der Szene.

Der (sehr) ländliche Raum hat dabei jedoch einen äußerst negativen Ruf. Bis auf touristisch bedeutsame Gebiete, wie es sie natürlich bei uns in der Region zuhauf gibt, sollen ländliche Immobilien riskant und oft genug der Weg in herbe Verluste sein. So zumindest die von vielen felsenfest vertretene Ansicht noch bis fast in die Gegenwart.

Der Tenor: Was weder touristisch wertvoll noch zumindest über gut ausgebaute Landstraßen über wenige Kilometer mit Autobahnen und Bundesstraßen an attraktivere (= urbanere) Regionen angebunden ist, sollte von Investoren gemieden werden. Überdies wiesen langjährig sowieso alle Daten in Richtung einer massiven Landflucht zugunsten des urbanen und semi-urbanen Raumes.

Städte quellen über, das Land dünnt sich aus:
Anteil der Landbevölkerung auf niedrigstem Stand seit 1871“

ifo Institut Dresden, Anfang 2020

Dann allerdings kam die Pandemie. Durch sie wurden einige zuvor als festzementiert geltende Regeln aufgebrochen. Doch wie verhält es sich diesbezüglich mit dem ländlichen Raum, dortigen Immobilien und dementsprechenden Investments?

Die Auswirkungen der Pandemie auf Deutschlands innere Migration

Was ist der Grund, warum so viele Menschen überhaupt den sehr ländlichen Raum verlassen, um sich in dichter besiedelten Gebieten niederzulassen? Tatsächlich stecken dahinter eine Reihe von Faktoren:

In den Köpfen vieler Deutscher war das Land immer ein Sehnsuchtsort. In der Praxis jedoch zeigten sich vor allem in den jüngsten 20, 30 Jahren immer wieder zu viele Nachteile, die überwogen.

Hier muss nun auf die Pandemie, respektive ihren Zeitraum umgeschwenkt werden. Sie löste an drei maßgeblichen Punkten deutliche Änderungen aus:

  1. Arbeitsformen und diesbezügliche Erwartungen,
  2. Einkaufsverhalten und
  3. Mobilität.

Vor 2020 war Heimarbeit ein nur sehr langsam ansteigender Trend, der je nach Studie streckenweise sogar auf niedrigem Level stagnierte. Während der Pandemie jedoch wurde daraus nicht nur eine Maßgabe, sondern eine staatliche Anordnung:

Arbeitgeber müssen bei Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten grundsätzlich die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice anbieten. Dies gilt, sofern nicht zwingende betriebliche Gründe dagegensprechen.

Beschäftigte müssen das Angebot annehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. […]“

So die Bundesregierung vor Ende der 2G/3G-Regelung im Frühjahr 2022

Wogegen sich zuvor viele Arbeitgeber und -nehmer gesträubt hatten, wurde nun für deutlich mehr als 50 Prozent aller bundesdeutschen Beschäftigten Realität. Die Folgen:

Wie bei vielen anderen Dingen, so sorgte die Pandemie hier ebenfalls für eine extreme Trendbeschleunigung. Zwei für Immobilieninvestoren bedeutende Fakten hieraus:

1. Ein Viertel aller deutschen BEschäftigten arbeitet derzeit (Frühsommer 2022) von zuhause. In einigen Branchen, wie etwa IT, sind es sogar weit über 70 Prozent.

2. Wenigstens teilweise Heimarbeit steht mittlerweile auf dem Wunschzettel vieler Arbeitnehmer ganz oben. In einer repräsentativen Umfrage äußerten 81 Prozent der Befragten den Wunsch, künftig nicht mehr an allen Wochentagen vor Ort arbeiten zu müssen.

Ähnlich verhielt es sich mit dem Thema E-Commerce: Viele Deutsche bauten während der Pandemie Hemmungen ab, sodass mittlerweile selbst Waren häufig geordert werden, die zuvor (wenigstens hierzulande) eine Domäne des stationären Handels waren – etwa Lebensmittel.

Als dritte Position in diesem Bunde zeigt sich aktuell, wie sehr Hausbesitzer bei der Elektromobilität im Vorteil sind: Sie können sich problemlos mit Ladeinfrastruktur bestückte Parkplätze errichten, können sogar auf Photovoltaik setzen, wodurch ihre Kosten für das Pendeln auf ein extremes Minimum abfallen – und all das wird massiv staatlich gefördert.

Da zudem immer vielfältigere E-Fahrzeuge auf den Markt kommen und die Reichweiten beständig steigen, existiert derzeit eine Melange, die für den sehr ländlichen Raum nicht besser sein könnte.

Mehr als jeder achte Bewohner (12,9 Prozent) in Städten mit über einer halben Million Einwohner will diese laut einer Befragung des Münchner ifo-Instituts und des Immobilienportals Immowelt binnen maximal eines Jahres verlassen. […] Darüber hinaus sei auffällig, dass bei den Menschen außerhalb der großen Städte kein besonders hoher Wunsch vorhanden sei, dorthin zu ziehen […]“

Tagesschau, Sommer 2021

Die Folgen für Immobilien im ländlichen Raum

Binnen kürzester Zeit hat sich eine zuvor als praktisch in Beton gegossen geltende Situation für Investoren völlig verändert:

Hinzu kommt überdies, dass in einer Zeit höchster Immobilienpreise der sehr ländliche Raum aus bisherigen Gründen der einzige verbliebene ist, der diesbezüglich für viele Menschen noch tragbar ist.

Damit sind drei besonders schwerwiegende Faktoren, die zuvor zur Landflucht beitrugen, vielerorts und für viele Menschen restlos beseitigt. Nun treten Stärken des Landelebens in den Vordergrund:

Natürlich handelt es sich hierbei nicht um einen Prozess, der binnen weniger Monate einen zuvor seit Jahrzehnten bestehenden Gegentrend umkehren wird. Ebenfalls werden Städte noch für lange Zeit eine hohe Attraktivität entwickeln.

Für Investoren steht jedoch an der Basis eine unverrückbare Tatsache im Raum: Die Talsohle der Attraktivität des sehr ländlichen Raumes in Deutschland wurde durchschritten. Es „flüchten“ zwar nicht monatlich Zehntausende aus den Städten, aber es gibt einen merklichen Strom, der so zuvor nicht bestand – wenigstens nicht in diese Richtung.

Was Investitionswillige nun beachten sollten

Vor der Pandemie verlief die Grenze attraktiver Regionen merklich entlang der großen deutschen Verkehrswege. Ein Ort mochte ländlich sein, wenn er jedoch nicht zu weit von Bundesstraßen und Autobahnen und vor allem größeren Ballungszentren entfernt lag, waren hier gute Investitionen möglich – ein wichtiger Grund, warum die urbanen „Speckgürtel“ sich in den letzten Jahren der präpandemischen Ära so ausdehnten.

Derzeit lässt sich bei den Wanderungsbewegungen ein langsames Vortasten über diese Areale hinaus beobachten. Menschen kehren zurück in Dörfer, die vielerorts geradezu als aussterbend galten. Doch was bedeutet das alles für Investoren?

Beachtet werden sollte zudem der sogenannte „Donut-Effekt“: Vor der Pandemie versuchten viele ländliche Gemeinden, hier gegenzusteuern. Orte, die erst jetzt in den Fokus rücken, könnten diesbezüglich bei den Bebauungsplänen von Anfang an strenge Vorgaben machen. Das heißt: Investoren sollten sich nicht nur auf attraktiv wirkende Neubausiedlungen um diese Gemeinden herum konzentrieren, sondern auch auf Altbauten im Ortskern.

(exb)

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