Ganz in der Nähe von Wackersdorf, in einem ruhigen Waldgebiet, stand einst das ursprüngliche Wackersdorf. Ein einzelner Denkmalstein erinnert an Alt-Wackersdorf – und an eine Geschichte, die von Aufbruch, Umsiedlung und einem radikalen Wandel erzählt. Heimatpfleger Toni Eiselbrecher kennt diese Geschichte wie kein Zweiter und nimmt Interessierte regelmäßig mit auf eine Wanderung zu den Spuren der Vergangenheit.
Aus der Kohle geboren
Alles begann im Jahr 1800 – mit einem Zufall: Schneidermeister Andreas Schuster ließ einen Brunnen ausheben – doch Wasser kam keines zum Vorschein. Stattdessen holten die Bauarbeiter einen trockenen, dunkelbraunen Brocken aus dem Loch nach dem anderen. Schuster hatte das größte Braunkohlevorkommen Bayerns entdeckt.
Zunächst schürften die Wackersdorfer ihr „schwarzes Gold“ in kleinem Maßstab im Untertagebau. Die Felder, Wälder und Häuser blieben unangetastet. Bald stellten sie ihre Arbeit sogar wieder ein – es waren nicht genügend Menschen da, um die ganze Kohle auch wegzubringen. Doch um die Jahrhundertwende änderte sich alles: Mit der Gründung der Bayerischen Braunkohlen-Industrie und dem Bau des Bayernwerks wurde der Abbau professionalisiert.
Das Kohlerevier war der wohl wertvollste Energielieferant in ganz Bayern. Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg musste dieser auch liefern – die Tagebaue wuchsen unaufhaltsam. Schritt für Schritt fraßen sie sich in Richtung Dorf. Das endgültige Aus kam, als Bergwerksdirektor Ernst Meißner Probebohrungen unter den Häusern durchführen ließ und zeigte – dort lag die hochwertigste Kohle des gesamten Reviers.
Von der Kohle verschluckt
Die Antwort des Freistaats: Wackersdorf muss weg. Doch was heute unverständlich scheint: die Einwohner waren glücklich darüber. Ihnen wurden als Ausgleich moderne Häuser, große Gärten, neue Infrastruktur und viele weitere Vorteile versprochen. Mit Mitteln aus dem Marshall-Plan entstand ein ganzes neues Dorf, während Alt-Wackersdorf verschwand. Sogar der Friedhof wurde verlegt. Am 6. Juli 1952 feierten die Bewohner die Einweihung von Neu-Wackersdorf – und die meisten blickten ohne Wehmut auf ihre alte Heimat zurück.
Bis 1982 förderte das Oberpfälzer Braunkohlerevier 185 Millionen Tonnen Kohle, bevor der Bergbau endgültig eingestellt wurde. Heute sind die einstigen Gruben zu Seen geworden, die das Herzstück des Oberpfälzer Seenlands bilden. Wer diese Geschichte vor Ort erleben möchte, kann sich am 5. Oktober einer geführten Wanderung mit Toni Eiselbrecher anschließen. Weitere Informationen und Termine der Wanderwochen gibt es auf der Webseite des Oberpfälzer Seenlandes.
(sb)