Do, 18.08.2022 , 11:21 Uhr

Waldsassen

Pflegenotstand – Betreutes Wohnheim muss schließen

Der Pflegenotstand zeigt Konsequenzen: Ein betreutes Wohnheim in Waldsassen muss vorübergehend schließen. Wegen Personalmangel können die 13 betreuten Menschen nicht mehr versorgt werden.

Der Mangel an Pflegekräften – es ist ein Problem, das bereits seit Jahren diskutiert wird. Pflegekräfte ächzen unter den Arbeitsbedingungen und den Zusatzbelastungen durch die Corona-Pandemie. Nun wird der Pflegenotstand in unserer Region an einem ganz konkreten Beispiel sichtbar: Ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung in Waldsassen hat keine andere Wahl mehr – es muss schließen.

Leere Zimmer im Haus St. Gertrud in Waldsassen – so wird es hier voraussichtlich für die kommenden fünf Monate aussehen. Die 13 Menschen mit Behinderung, die hier normalerweise wohnen, konnten nicht länger betreut werden. Der Grund: ein dramatischer Mangel an Pflegekräften.

Mehrere Mitarbeiter fallen wegen langfristiger Erkrankungen aus, erklären Einrichtungsleiterin Elke Bauer und Michael Eibl, Direktor der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg. Hinzu kommen immer wieder kurzfristige Ausfälle wegen Corona-Infektionen. Und einige Kündigungen – schlicht und einfach wegen der enormen Arbeitsbelastung. Die Mitarbeiter in der Betreuung hätten in den vergangenen zwei Jahren enorme Zusatzbelastungen aushalten müssen und hätten sich über die Maßen engagiert, um die Betreuung der Bewohner sicherzustellen. Mit der Folge: Sie sind erschöpft und ausgebrannt.

Die Katholische Jugendfürsorge Regensburg betreibt in der nördlichen Oberpfalz vier Wohnheime. Sie musste nun ihre Konsequenzen aus dem Personalmangel ziehen: Sechs Bewohner aus Waldsassen wurden nach Windischeschenbach verlegt, sieben weitere mussten zurück zu ihren Angehörigen geschickt werden. Eine schwierige Situation für alle, denn die Angehörigen müssen nun auf kürzeste Zeit die Betreuung Zuhause wieder sicherstellen und die Menschen mit Behinderung werden aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen.

Ziel sei es, das Haus St. Gertrud möglichst schnell wieder öffnen zu können. Dafür arbeite man jetzt mit Hochdruck daran, neues Personal einzustellen, erklärt Direktor Michael Eibl. Ziel dürfe es aber nicht sein, anderen Einrichtungen die Mitarbeiter abzuwerben, betont er im Gespräch mit OTV. Stattdessen sollen vor allem neue Kräfte gewonnen und ausgebildet werden. Unter anderem auch Flüchtlinge, die im sozialen Bereich arbeiten wollen. Dafür brauche es flexible Ausbildungskonzepte, fordert er.

Zahlen des Bayerischen Gesundheitsministeriums zeigen: In Bayern werden bis zum Jahr 2030 etwa 19.000 Pflegekräfte und Pflegehilfskräfte mehr benötigt als im Jahr 2019. Der Bedarf an Fachkräften wird also steigen. Könnte es also bald noch weiteren Einrichtungen in Bayern so gehen wie der in Waldsassen? Das Ministerium erklärt auf OTV-Anfrage:

Klar ist: Wenn kein Umsteuern in der Pflege erfolgt, wird sich die Situation weiter zuspitzen. Für eine generelle Verbesserung der Pflegesituation müssen daher die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Langzeitpflege umfassend reformiert werden. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat bereits im März 2021 Eckpunkte für eine Reform formuliert und setzt sich nachdrücklich beim zuständigen Bund für ihre Umsetzung ein.

Sprecher des Bayerischen Ministeriums für Gesundheit und Pflege

Einige Eckpunkte, die Holetschek fordert: Mehr Geld müsse in die pflegerische Versorgung fließen und das System solle vereinfacht werden.

In Waldsassen werden vier Teilzeitkräfte oder zwei Vollzeitkräfte mehr gebraucht – das ist das Minimum, um das Haus St. Gertrud wieder eröffnen zu können, so Elke Bauer. Hier herrscht trotz allem Optimismus – die 13 Menschen mit Behinderung, die hier im Haus St Gertrud ihr vertrautes Umfeld hatten, sollen so bald wie möglich wieder zurückkehren können.

(az)

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