Fr, 06.08.2021 , 16:20 Uhr

ver.di um die Zukunft der Kliniken Nordoberpfalz AG besorgt

Wie steht es um die Kliniken Nordoberpfalz AG? Steht Vorstand Dr. Thomas Egginger tatsächlich vor der Ablösung? Die Gerüchteküche läuft auf Hochtouren. Ver.di zeigte sich jetzt besorgt um die Zukunft des Klinikenverbunds.

Von der heutigen Presseberichterstattung völlig überrascht, erklärt Alexander Gröbner, Geschäftsführer ver.di Bezirk Oberpfalz: „Die Entwicklung in der Kliniken Nordoberpfalz AG ist besorgniserregend. Aus welchem Grund soll Vorstand Dr. Egginger gehen? Weshalb greift der Aufsichtsrat in einer fünfstündigen Sitzung zu solchen Mitteln, nur weil ‚Egginger ein persönliches Gespräch in einer Aufsichtsratssitzung nicht hat führen wollen‘?‚ wenn es hinter vorgehaltener Hand heißt, dass er zu viel Geld ausgebe‘ ist es ebenfalls fraglich, da es nach unserem bisherigen Kenntnisstand für sämtliche relevanten Vorstandsentscheidungen neben der beratenden Begleitung durch die Firma Oberender auch Rückendeckung aus dem Aufsichtsrat und durch die politischen Träger gab. Für uns als Gewerkschaft ver.di stellt dies deshalb ein großes Rätsel dar. Eine Erklärung dafür haben wir nicht.“

Sprichwörtlich stünden nach der heutigen Presseveröffentlichung die Telefone nicht still: „Natürlich machen sich die Beschäftigten in einer solchen Situation Sorgen um ihre Zukunft und ihre Arbeitsplätze. Wir hoffen deshalb auf eine schnelle Aufklärung der Lage und klare Perspektiven nach vorne!“, so Gröbner weiter.

Die Insolvenz des Unternehmens wurde durch die Politischverantwortlichen im Rahmen eines 50-Millionen-Trägerdarlehen abgewendet und dadurch die Gesundheitsversorgung in der Region sichergestellt. In einem weiteren Schritt übernahmen die Gebietskörperschaften durch die Stabilisierung der gemeinnützigen Aktiengesellschaft die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung in der Region. Seit Januar 2020 wurde der Weg durch den Vorstand Dr. Egginger weitergeführt, der Sanierungspfad schien sicher beschritten worden zu sein.

Die Träger der Landkreise Tirschenreuth, Neustadt/WN und die Stadt Weiden, der Aufsichtsrat und der Vorstand hatten basierend auf einem Sanierungsgutachten den Weg für eine Sanierung des Unternehmens bis zum Jahr 2024 frei gemacht.

Ver.di habe daraufhin im vergangenen Jahr den Gesamtbetriebsrat der AG und die Betriebsräte der einzelnen Regionen in den notwendigen Interessenausgleich- und Sozialplanverhandlungen begleitet, welche die Schließung der Standorte in Waldsassen und Vohenstrauß zur Folge hatte. „Sie können sich vorstellen, das ist uns nicht leicht gefallen. Schließlich war damit der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden, von der Einschränkung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung mit kleinen Krankenhäusern in der Region ganz zu schweigen. Jeder verlorene Arbeitsplatz ist ein ernst zu nehmendes Problem des jeweils Betroffenen – ohne Frage. Doch war nach politischem Willen der Träger im Aufsichtsrat in 2020 der Sanierungspfad alternativlos. Aber es ist uns gemeinsam gelungen, einen tragfähigen Kompromiss für einen sozialverträglichen Personalabbau mit einer Vorruhestandsregelung verknüpft mit einer klaren zukunftsorientierten Personalentwicklung zu erarbeiten. Auf dieser Idee wollten wir unseren Beitrag zur Zukunftssicherung der Kliniken Nordoberpfalz AG in öffentlicher Hand leisten“, so Gröbner weiter.

Selbstverständlich sei die Corona-Pandemie an dem Unternehmen nicht spurlos vorüber gegangen. „Wir danken an dieser Stelle ausdrücklich den Beschäftigten in der Kliniken Nordoberpfalz AG für die herausragende Leistung in den letzten Monaten der Corona-Krise. Nur ihnen ist es zu verdanken, dass es in unserer Region nicht noch schlimmer kam!“, betont Marina Mühlbauer, Gewerkschaftssekretärin ver.di Oberpfalz.

Auch die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens sei im bayerischen und auch im Bundesvergleich in dieser Pandemie nicht von der Hand zu weisen und hat Hochachtung verdient.

„Noch am 23. Juni konnten wir uns im Rahmen einer Betriebsrätevollkonferenz gemeinsam mit dem Vorstand und den Trägern über den grundsätzlich erfolgreichen Sanierungsverlauf austauschen. Natürlich sind pandemiebedingt noch nicht alle Vorhaben des Sanierungsgutachtens durch den Vorstand in Angriff genommen worden. Doch die Sanierungsziele waren nach Ansicht aller Beteiligter klar und verbindlich erreichbar!“, gibt sich Mühlbauer ob der aktuellen Debatte bei der Kliniken Nordoberpfalz AG nachdenklich.

Der Rahmensozialplan sichere die sozialverträgliche Begleitung des zur erwartenden Personalabbaus auch in den kommenden Jahren ab. Konkrete Führungskräfteentwicklung bis hin zur Veränderung der Unternehmenskultur waren aufs Gleis gesetzt. Die Kehrtwende und der Vertrauensentzug gegenüber dem erweiterten Führungskreis rund um den Vorstand Dr. Egginger sei nicht nachvollziehbar.

Schließlich habe die Firma Oberender – welche die Kliniken Nordoberpfalz AG seit ihrer Gründungsphase wirtschaftlich berät – alle Sanierungsschritte an der Seite des Vorstands beratend unterstützt und stand auch dem Aufsichtsrat stets mit ihrer Fachkompetenz zur Verfügung.

Natürlich war in den letzten Jahren und auch in den letzten Monaten in unterschiedlichen Zusammenhängen die hohen Beratungskosten durch die Firma Oberender in Höhe von angeblich mehreren hunderttausend Euro kritisiert worden. „Als Gewerkschaft haben wir grundsätzlich ein gespaltenes Verhältnis zu Beratungsfirmen, die Unternehmen für Sparmaßnahmen und Personalabbau beraten, um selbst wirtschaftlichen Erfolg zu generieren“, so Gröbner

Jedoch sei die Begleitung des Sanierungsprozesses durch die Firma Oberender von allen Trägern im Aufsichtsrat ausdrücklich gewollt: „Es ist in unserer Wirtschaftsordnung klar, dass der Eigentümer bestimmt, wofür er letztlich sein Geld investiert – uns als Gewerkschaft wäre es natürlich zweifellos lieber, diese Finanzmittel würden eher in Arbeitsplätze und die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesteckt!“, so Mühlbauer weiter.

Überraschend sei die aktuelle Entwicklung auch deshalb, weil die Firma Oberender auch gemeinsam mit allen betrieblichen Akteuren und ver.di im letzten Jahr die Interessenausgleich- und Sozialplanverhandlungen konstruktiv begleitet hatte. Dabei war stets die oberste Prämisse, klare Perspektiven für sichere und gute Arbeitsplätze in der Region, eine gute, öffentliche Gesundheitsversorgung und gleichzeitig gute Perspektiven für junge Menschen in der Pflege zu entwickeln und abzusichern.

„Wir hoffen ausdrücklich, dass die Ausrichtung des Unternehmens mit den Chancen für deren Beschäftigten durch die aktuelle Führungsdebatte nicht unterbrochen wird. Wir erwarten, dass uns die politisch Verantwortlichen möglichst schnell wieder ins Boot holen und bieten ausdrücklich hierfür Gespräche an“, so Mühlbauer.

Auf keinen Fall darf der Sanierungspfad zum Wohle aller Beschäftigten gefährdet werden: „Hier ist es spannend, wer zukünftig die Geschicke der Kliniken Nordoberpfalz AG lenken wird. Wir rufen die Beschäftigten auf, sich mit einer starken Gewerkschaft ver.di für die nächsten Monate zu rüsten!“ erklärt Mühlbauer entschlossen.

Äußerst kritisch sehen die beiden Gewerkschafter auch die drohende Aufwertung der bereits im Jahr 2019 vom Aufsichtsrat beschlossenen Service GmbH. Diese sollte zunächst durch Verschlechterung der Arbeits- und Bezahlungsbedingungen für Reinigungskräfte der AG als Kostensparprogramm Einsparungen generieren – jedoch sei nach Satzung der GmbH das Aufgabenfeld deutlich erweitert. Dagegen ist ver.di bereits im Frühjahr 2019 Sturm gelaufen. „Wir raten allen Verantwortlichen dringend davon ab, diese Idee erneut im Wege des Führungswechsels aufzugreifen. Als ver.di werden wir uns massiv dagegen stemmen, weil die Beschäftigten in der Pflege aber auch in allen Bereichen der Kliniken AG dringend gutes Geld für gute Arbeit und keine Lohnabsenkung verdient haben! Die Pandemie hat gezeigt, dass alle Beschäftigten in einer Klinik ineinandergreifen wie Zahnräder in einem Uhrwerk – von der Ärzteschaft, über die Pflege, von der Verwaltung bis zur Reinigung – niemand ist verzichtbar!“ gibt Mühlbauer klar zu bedenken.

Insgesamt sei ver.di froh, dass die politisch Verantwortlichen aller Regionen nach Medienberichterstattung bereits jetzt erklärt hätten, dass sie für die Fortführung des gesamten Unternehmens in öffentlicher Hand unter Tarifbindung des TVöD einstehen würden und somit für die Gesundheitsversorgung der nördlichen Oberpfalz selbst Verantwortung übernehmen wollen.

„Bleibt jedoch zum Schluss wieder eine Frage offen: Weshalb soll der Vorstand gehen? Dr. Egginger hat diese gemeinsamen Ziele zur Zukunft des Unternehmens und seiner Beschäftigten immer betont. Weshalb steht die Ablösung des Vorstandes bevor? Was ist seit dem 23. Juni eigentlich passiert“, fragt sich Gröbner.

(vl)

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