Do., 08.08.2024 , 13:23 Uhr

Ein zweischneidiges Schwert: Das Homeoffice zwischen Bequemlichkeit und Gesundheit

Die Oberpfalz mag nicht gerade eine der „Herzkammern“ der Heimarbeit in Bayern sein. Wie das Bayerische Landesamt für Statistik vermeldet, liegen wir mit 19 Prozent aller Beschäftigten im Mittelfeld. Zum Vergleich: In Oberbayern sind es 29 Prozent, im Schlusslicht Niederbayern 15 Prozent. Ein wesentlicher Grund für die Unterschiede sind strukturelle Differenzen. Homeoffice ist regional umso bedeutender, je mehr Berufe sich so ausüben lassen – also alles, was mehrheitlich am Computer stattfindet.

Eines steht jedoch fest: Bei uns in der Region arbeitet immerhin ein Fünftel aller Beschäftigten an mindestens einem Wochentag von zuhause. Beliebt ist das zweifellos. Allerdings erleben und unterschätzen nach wie vor viele, wie sehr diese Arbeitsform sowohl Stärken und Schwächen aufweisen kann.

+ Die Bequemlichkeit

In der persönlichen Wahrnehmung dürfte das mit Sicherheit zu den wichtigsten Vorteilen der Heimarbeit gehören. Es ist schlicht und ergreifend bequem.

– Die Unbequemlichkeit

Der Wesenskern eines zweischneidigen Schwerts ist, dass ein Vorteil ebenso schnell ein Nachteil sein kann. So auch beim Thema Bequemlichkeit. Denn viele Menschen nutzen die Notwendigkeiten der Präsenzarbeit, um Dinge des Alltags in einem zu erledigen. Etwa auf dem Weg in die Firma die Kinder absetzen, in der Mittagspause das örtliche Fitnessstudio aufsuchen oder auf dem Heimweg am Supermarkt anhalten, um Besorgungen zu machen.

An dieser Stelle kann man sicherlich diskutieren, ob es wirklich unbequem ist (verglichen mit der zweifelsohne größeren Unbequemlichkeit im Rahmen des Pendelns). Dennoch muss der Punkt angesprochen werden, weil er wenigstens den Komfort der Heimarbeit deutlich mindern kann.

+ Die Vereinbarkeit

Wer gerade in der Firma sitzt, wenn der Nachwuchs unerwartet früher schulfrei hat, der hat mitunter ein veritables Problem. Ganz ähnlich sieht es aus, wenn die Kita geschlossen bleibt – oder der Lebenspartner Schicht arbeitet, wodurch man sich an manchen Tagen mitunter gar nicht sieht. All das ist im Homeoffice fundamental anders. Natürlich, man ist immer noch „auf der Arbeit“, aber wenigstens physisch zuhause anwesend. Das kann in der Praxis einen immensen Unterschied ausmachen.

Die verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie war bereits in den Frühtagen der Pandemie eines der am stärksten bejahten Positivmerkmale der Heimarbeit. Sie dürfte es weiterhin sein. Doch einmal mehr hat diese Medaille eine dunklere Rückseite:

 

– Die Entgrenzung

Ist man schon in der Freizeit, wenn man im Homeoffice beim Gang auf die Toilette schnell die Waschmaschine füllt und startet? Ist es noch Arbeit, abends auf der Couch nebenbei einige E-Mails für den morgigen Tag nach Beantwortungspriorität zu sortieren? Auf beide Fragen werden sich keine eindeutigen Antworten finden lassen – auf viele andere ähnlicher Couleur ebenso wenig.

Tatsache ist, im Homeoffice finden Arbeit und Freizeit unter demselben Dach statt. Zwar kommt es für den Grad einer Vermischung nicht zuletzt darauf an, wo genau man zuhause arbeitet – ein Heimbüro als abgetrennter Raum ist diesbezüglich weniger gefährlich als ein Schreibtisch mitten im Wohnzimmer. Dennoch sehen viele Menschen ein Aufbrechen der Grenzen. Das ist zumindest für eine Mehrheit eher negativ, denn aus psychologischer Sicht sollten Beruf und Freizeit besser strikt getrennt sein.

+ Die Kostenersparnis

Wie schon weiter oben geschrieben: Nur unter eingeschränkten Voraussetzungen muss der Arbeitgeber für alle Homeoffice-bedingten Kosten aufkommen. Dadurch bleiben viele Heimarbeiter auf den Ausgaben sitzen. Allerdings handelt es sich bei realistischer Berechnung, vor allem bei den laufenden Kosten, um vernachlässigbare Zusatzbeträge.

Etwa das Mehr an Stromverbrauch, das, aufs Jahr hochgerechnet, nur wenige zusätzliche Euro beträgt. Bei den Heizkosten ist die Teuerung sogar fragwürdig. Schließlich bleibt sie bei vielen Menschen auch dann an, wenn diese morgens zur Arbeit aufbrechen.

Dem gegenüber stehen jedoch solche Punkte:

Das alles wird erheblich reduziert. Manche Menschen, die dauerhaft zuhause arbeiten, können sogar das Auto abschaffen. Hinzu kommt noch die Möglichkeit, verschiedene Dinge steuerlich geltend zu machen. Für viele Heimarbeiter bedeutet das in der Praxis eine deutliche Kostenreduzierung.

 

+/- Die Gesundheit

Dieser Punkt hat genügend Ambivalenz, um ihn gleichzeitig als Vor- und Nachteil nennen zu können. Denn Heimarbeit ist gleichsam gesund und ungesund:

Nicht zuletzt müssen die Auswirkungen auf die psychosoziale Gesundheit betrachtet werden. Üblicherweise ist der Stress im Homeoffice geringer. Allerdings können die Vermischung von Arbeit und Freizeit und die bei vielen verstärkte Einsamkeit einen deutlichen Tribut einfordern. Unter anderem an der Universität Münster wurde dazu eine Arbeit zu Pandemiebeginn durchgeführt und veröffentlicht. Zitat aus der Pressemeldung:

„[…] Die beiden Forscherinnen gelangen zu dem Ergebnis, dass ein höheres Ausmaß an Home Office mit einem stärkeren Gefühl sozialer Isolation und einer geringeren Identifikation mit dem Arbeitgeber einhergeht. Die Resultate erklären sie vor allem damit, dass wichtige Gewohnheiten und Strukturen, die mit der Arbeit im Büro verbunden sind, ebenso wie der Austausch mit Arbeitskolleg:innen durch die Heimarbeit geschwächt werden. So ließen sich viele Aufgaben durch digitale Arbeitsformen zwar problemlos von zu Hause erledigen, die informelle Kommunikation werde dabei jedoch geschwächt. […]“

 

+ Die Leistungsfähigkeit

Nach wie vor ist Heimarbeit nicht bei allen Arbeitgebern wohlgelitten – insbesondere aufgrund der reduzierteren Kontrolle. Bei einem Punkt sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedoch weitgehend einig: Zuhause läuft die Arbeit schlichtweg besser, wenigstens bei einer Majorität.

Das alles und noch manches mehr hat eine Auswirkung: Bei den meisten Heimarbeitenden ist die Produktivität größer als bei der Präsenzarbeit. So spricht eine Befragung seitens der TU Darmstadt von 76 Prozent der Beschäftigten – versus 61 Prozent der Präsenzarbeiter, die für sich eine größere Produktivität sehen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen viele andere Arbeiten rund um den Globus. Wohl lautet die Kernaussage, vieles hinge davon ab, wie Heimarbeit durch Arbeitgeber und -nehmer gestaltet wird. Wenn jedoch alles stimme, wäre die Produktivität meistens spürbar besser.

– Die Ablenkungen

Im Heimbüro hackt vielleicht kein Kollege gleich gegenüber unnötig hart auf der Tastatur herum, während er gleichzeitig lautstark telefoniert. Ebenso ist die Chance für hereinplatzende Vorgesetzte mit einer „Könnten Sie vielleicht mal eben…“-Aufgabe deutlich geringer.

Das bedeutet jedoch nicht, das Homeoffice sei frei von Ablenkungen. Besonders kritisch: Ähnlich, wie beim Thema Gesundheit hängt hierbei vieles von der Disziplin des Einzelnen ab. Denken wir an die Hausarbeit: Wer aus der Firma soll es denn merken, wenn man sich zwischendurch mit Wäsche oder Geschirr befasst? Ebenso bekommt es wahrscheinlich niemand mit, wenn im anderen Browser-Fenster online nach der neuen Couchgarnitur gesucht wird.

Diese „persönlichen Ablenkungsfaktoren“ sind zuhause enorm zahlreich und erstrecken sich mitunter sogar bis zur Möglichkeit, auf seinen Steckenpferden zu reiten, statt zu arbeiten. Doch hinzu kommen noch andere Störungen:

und andere sind bei manchen zumindest eine ständige Gefahr für konzentriertes Arbeiten. Einmal mehr kommt es zwar auf den Einzelfall und die exakte Art des Heimbüros an, dennoch ist das Risko enorm. Und wenn nebenan der Nachwuchs fröhlich spielt und Papa oder Mama zum Mitmachen animieren würde, braucht es manchmal schon viel Selbstdisziplin. Man ist eben trotz Arbeit zuhause – im Guten wie im Schlechten.

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