Fr, 19.06.2020 , 11:00 Uhr

Regensburg: Bewährungsstrafe für Joachim Wolbergs

Im zweiten Korruptionsprozess gegen den früheren Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs hat das Regensburger Landgericht den Kommunalpolitiker wegen Bestechlichkeit zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Demnach konnte Wolbergs die Korruptionsvorwürfe in Zusammenhang mit hohen Wahlkampfspenden aus der Immbolienbranche nicht vollständig ausräumen: Angeklagt war Wolbergs wegen Bestechlichkeit, Vorteilsnahme und Untreue.

Mit Joachim Wolbergs ist ein Immobilienunternehmer unter anderem wegen Bestechung auf der Anklagebank gesessen. Er erhielt eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen. Insgesamt umfasst seine Strafe 63.000 Euro. Ein zweiter Immobilienunternehmer hatte bereits eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage akzeptiert.

Wird das Urteil rechtskräftig, könnte Joachim Wolbergs nach Abschluss des Disziplinarverfahrens der Landesanwaltschaft seine Pensionsansprüche aus seiner früheren Oberbürgermeister-Zeit verlieren. Schon bei einem halben Jahr Freiheitsstrafe zur Bewährung wäre dies automatisch der Fall. Wolbergs Verteidiger Peter Witting kündigte aber an, in Revisioin gehen zu wollen. Er könne das Urteil so nicht akzeptieren, sei das Urteil und die Urteilsbegründung doch „niederschmetternd“.

Peter Witting hatte Freispruch gefordert: Denn die hohen Spenden wären notwendig gewesen, um einen aussichtsreichen Wahlkamf zu führen. Wolbergs betonte im Prozess immer wieder, nicht korrupt zu sein. Er habe stets nach seinen eigenen Überzeugungen gehandelt und sich von Spenden nicht beeinflussen lassen.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für Joachim Wolbergs gefordert. Für den mitangeklagten Immobilienunternehmer eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Denn aus der Sicht der Staatsanwaltschaft habe Wolbergs als Gegenzug für die Wahlkampfspenden Bauprojekte der beschuldigten Unternehmer gefördert. Eine Viertelmillion Euro soll Wolbergs früherer SPD-Ortsverein insgesamt erhalten haben. Ein Teil davon, rund 30.000 Euro, floss demnach über eine Scheinrechnung, mit der Wahlkampfkosten für Wolbergs versteckt bezahlt wurden.

Einen Tag nach der Urteilsverkündung meldet sich Joachim Wolbergs auf seiner Facebook-Seite zu Wort:

Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,

das gestrige Urteil in dem zweiten Verfahren gegen mich war der zweitgrößte Niederschlag für mich nach meiner Inhaftierung. Ich habe gestern auf das Urteil nicht mehr reagiert, weil ich im ersten Verfahren direkt im Anschluss an die Urteilsverkündung gegenüber den Medien eine emotionale Reaktion gezeigt habe, die mir später zum Schaden gereichte, wenigstens wurden damals bestimmte Bilder von mir mit wütendem Gesichtsausdruck immer und immer wieder publiziert. Außerdem habe ich es für sinnvoll erachtet, das Geschehene zunächst in Ansätzen zu verarbeiten und die medialen Darstellungen am heutigen Tag abzuwarten.

Ich bin gestern mit einem Urteil der fünften Strafkammer in vielen zentralen Punkten freigesprochen worden, über die heute kaum mehr geredet wird; aber ich bin in einem Punkt wegen vermeintlicher Bestechlichkeit zu einem Jahr Haft, ausgesetzt auf Bewährung, verurteilt worden.

Natürlich weiß ich, dass Urteile von Gerichten zu akzeptieren sind und das tue ich auch, anders als die Süddeutsche Zeitung und Kommentatoren bei Regensburg Digital und in anderen Onlinemedien, die nur die Urteile akzeptieren, die so ausfallen, wie sie es sich wünschen. Aber der Rechtsstaat sieht – Gott sei Dank – die Möglichkeit vor, weitere Instanzen anzurufen, wenn man selber das Urteil für falsch hält.

Ich gebe zu, dass ich eigentlich nicht mehr an Gerechtigkeit glaube und große Zweifel an dem Funktionieren dieses Rechtsstaates habe. Das ist auch mein Recht, nach all dem, was ich erlebt habe. Ich weiß, dass das gestrige Urteil vielen gefällt und gestern wohl einige Sektkorken geknallt sind. Es gefällt vielen Journalisten, das wurde in der Berichterstattung heute deutlich und es gefällt wenigstens vielen Menschen, die sich gerne im Lichte der Anonymität dort tummeln, wo insbesondere Online-Blogger ein Forum für Hass und Häme bieten. Und vielleicht gefällt es ja auch der Regensburger Staatsanwaltschaft, aber für die war das Strafmaß wohl eher zu gering.

Aber zunächst zum Urteil von gestern.
Ich kann dieses Urteil nur sehr begrenzt nachvollziehen, weil ich in einem Punkt, den ich definitiv falsch gemacht habe, mit einer abenteuerlichen Begründung freigesprochen wurde und in einem anderen, bei dem ich mir nichts, aber auch gar nichts vorzuwerfen habe, verurteilt worden bin. Ich habe einen Fehler gemacht in Bezug auf die Übernahme einer AgenturRechnung durch einen Bauträger. Ich habe diesen Fehler von Anfang an eingeräumt und darauf hingewiesen, dass ich nicht mit Absicht falsch gehandelt habe, aber ich mich um dieses Thema hätte intensiver kümmern müssen. Für diesen Fehler bin ich freigesprochen worden.
Das ist auch gut für die CSU, für die Agentur-Rechnungen über mehr als 100.000 € von diesem Bauträger übernommen wurden und die vielleicht deshalb jetzt auch nichts mehr zu befürchten hat.

Ein zentraler Punkt der Anklage, eigentlich der zentrale Punkt, war eine von mir unterschriebene Baugenehmigung in Bezug auf den Bau einer Industriehalle auf dem Gelände der Klärschlammteiche. Die Staatsanwaltschaft hat die Auffassung vertreten, ich hätte diese Baugenehmigung nur deshalb erteilt, weil ich Spenden der Firma Schmack für die SPD angenommen hatte. Dieser absurde Vorwurf der Staatsanwaltschaft wurde mit Urteil vom Tisch gewischt.

Ein weiterer zentraler Punkt der Anklage waren meine Bemühungen, am nördlichen Rübenhof, angrenzend an das Candis-Viertel, ein wirkliches Nahversorgungszentrum zu errichten, so wie die Menschen, die dort wohnen, es sich wünschen. Auch in diesem Zusammenhang hatte die Staatsanwaltschaft in ihrer unnachahmlichen Art eine Verknüpfung mit Parteispenden konstruiert. Auch dieser Vorwurf wurde mit Urteil vom Tisch gewischt.

Alle weiteren Vorwürfe, die die Anklage beinhaltete, wurden ebenfalls verworfen, sodass ich in all diesen Punkten freigesprochen wurde.

Verurteilt wurde ich in Bezug auf das Projekt „Auf der Platte“.
Ich wurde in diesem Zusammenhang nicht verurteilt, weil es wie auch immer geartete Beweise für eine Verknüpfung zwischen Parteispenden und diesem Vorhaben gegeben hätte, sondern weil die fünfte Strafkammer alle, aber auch wirklich alle Zeugenaussagen in Bezug auf dieses Vorhaben vom Tisch gewischt hat und aus vermeintlichen Indizien eine eigene Geschichte konstruiert hat, die schlicht und ergreifend falsch und so nicht wahr ist.
Ich musste lernen, dass es in einem solchen Strafverfahren nicht nur so ist, dass man ab einem bestimmten Zeitpunkt seine Unschuld beweisen muss und nicht mehr die Ermittler die Schuld, sondern dass auch die Frage, dass es keinerlei Beweise für erhobene Vorwürfe gibt, keine Rolle spielt, bei vermeintlichen Indizien und einer sich daraus gebildete Meinung eines Gerichtes für die Verurteilung eines Menschen ausreicht.

Das bedeutet zu Ende gedacht, dass Richterinnen und Richter bessere Menschen sein müssen, weil man ihnen etwas zutraut, was andere scheinbar nicht können.
In Wahrheit hat eine solche Befähigung natürlich nicht nur etwas mit einer juristischen Ausbildung, und sei sie auch noch so gut, zu tun, sondern mindestens genauso mit der charakterlichen Befähigung, Menschen gerecht werden zu wollen.

Ich weiß natürlich, dass die freie Entscheidung von Gerichten die Deutung von Indizien nach jeweiliger Überzeugung des Gerichtes erlaubt und dass eine andere Kammer vermeintliche Indizien vielleicht zu 100 % anders interpretiert hätte. Aber das hilft mir nichts. Dieser Rechtsstaat lässt zu, dass am Ende ein Urteil steht vor dem Hintergrund einer Geschichte, die sich eine Kammer selber ausgedacht hat und für schlüssig hält.

Ich schwöre bei Gott, und ich weiß sehr genau, dass man damit sehr vorsichtig umgehen muss, dass es niemals eine Verbindung zwischen der Annahme von Parteispenden und dem Anliegen des Immobilienzentrums eine Arrondierung der Bebauung in dem Gebiet „Auf der Platte“ vorzunehmen, gegeben hat.
Niemals also hat es auch nur den Versuch gegeben, mich zu beeinflussen und niemals wäre ich beeinflussbar gewesen.

Alle Zeugen, die zu diesem Komplex aussagen konnten, haben das auch bestätigt. Insbesondere der Bauträger, um den es ging.
Dieser Bauträger, der im Hinblick auf einen Strafbefehl, zu dessen Annahme ihm seine Anwälte geraten hatten, um für sich und für die Firma wieder Ruhe zu finden, hatte seine Aussagen, wie sich den Akten sehr gut entnehmen lässt, immer wieder verändert, um der Staatsanwaltschaft möglichst viel von dem zu geben, was diese hören wollte. Das alles, um aus der Haft entlassen zu werden. Aber selbst die veränderten Aussagen, die ihm von Seiten der Staatsanwaltschaft abgenötigt wurden, lassen keinen Verdacht eines Zusammenhangs zwischen der Annahme von Parteispenden und dem Vorhaben „Auf der Platte“ zu.
Ganz im Gegenteil: Der Bauträger hat als Zeuge unter Wahrheitspflicht mehrfach darauf hingewiesen, dass es diesen Zusammenhang nicht gegeben hat. In diesem Punkt hat ihm das Gericht offensichtlich nicht geglaubt, obwohl das Gericht ihn insgesamt als sehr glaubwürdigen Zeugen dargestellt hat, während das Gericht explizit darauf hingewiesen hat, beispielsweise der Planungs- und Baureferentin, deren Verhalten an Redlichkeit wohl kaum zu überbieten ist, keinen Glauben zu schenken.

Nebenbei sei erwähnt, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt mit einem besonderen Engagement oder gar einer Anweisung in diesem Zusammenhang für das Bauvorhaben engagiert habe. Ich habe das gewünschte Vorhaben eines Bauträgers an die Verwaltung weitergeleitet, mit der Bitte, Wege zu suchen, dieses Vorhaben im Sinne von zusätzlicher Wohnbebauung realisieren zu können. Daraufhin hat es einen Vorschlag der Verwaltung gegeben, wie dies unter Umständen möglich sei und ich habe die Verwaltung damit beauftragt, selbstständig dieses Vorhaben weiter zu bearbeiten und mit dem Bauträger diesbezüglich Gespräche aufzunehmen.
Das und nicht mehr habe ich getan.

Das Gericht hat die von mir geäußerte Bitte an die Verwaltung, dieses Vorhaben im Sinne von mehr Wohnbebauung wohlwollend zu behandeln und voranzutreiben, als Anweisung bzw. als Quasi-Anweisung verstanden. Niemand der betroffenen Mitarbeiter der Stadtverwaltung hat es nach eigenen Zeugenaussagen so verstanden, aber das Gericht weiß es eben besser.

Das zu Ende gedacht, und manchmal macht es auch bei Rechtsprechung Sinn, Dinge zu Ende zu denken, bedeutet, die Bitte oder gar die Aufforderung eines Oberbürgermeisters oder einer Oberbürgermeisterin an die Verwaltung wäre im Falle von vorangegangenen Parteispenden der Person, die ein Anliegen vorträgt, immer brandgefährlich.
Wenn Mitarbeiter der Stadtverwaltung also nun mit Bitten, Aufforderungen oder gar eine Anweisung der eigenen dafür gewählten Stadtspitze konfrontiert werden, müssten sie in jedem Fall zunächst durch die Strafermittlungsbehörden überprüfen lassen, ob dann, wenn es sich um das Anliegen einer dritten Person handelt, diese vielleicht der Partei des Oberbürgermeisters bzw. der Oberbürgermeisterin oder der Stadt selber in irgendeinem Zusammenhang gespendet hat. Wenn dies so wäre, müsste remonstriert werden.

Dass Kommunalverwaltung anders funktioniert, weil sonst gar nichts ginge, muss ein Gericht nicht wissen, weil ein Gericht vor dem Hintergrund der eigenen Unabhängigkeit solche Vorgänge natürlich nicht kennt. Aber ein Gericht kann es wissen, wenn man sich mit der Sache beschäftigt, Zeugenaussagen und die Beweisaufnahme einer Hauptverhandlung ernst nimmt und sich nicht selber eine Geschichte zurechtlegt, weil man sie so eben gerade gerne hätte.

Das ist aber jetzt in diesem Fall passiert.
Ich weiß natürlich, dass es Menschen gibt, die Gerichte als fehlerfreie Institutionen ansehen, die man nicht kritisieren darf. Ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Richterinnen und Richter sind keine Götter und sie müssen es sich gefallen lassen, auch kritisiert zu werden, so wie ich es mir auch jeden Tag gefallen lassen muss, wie wahrscheinlich wenig andere.

Und deshalb nehme ich mir das Recht heraus, klar und deutlich zu sagen, dass das gestern gefallene Urteil in Bezug auf das Vorhaben „Auf der Platte“ ein klassisches Fehlurteil ist und zwar in Gänze.
Und natürlich werde ich deshalb mein Recht in Anspruch nehmen, in Revision zu gehen.

Ich weiß natürlich genau, was jetzt wieder passiert und wie diese Botschaft jetzt von einigen wieder interpretiert werden wird.
„Jetzt, wo endlich ein Urteil gegen ihn gefällt wird, ist er nicht bereit es zu akzeptieren“, werden wieder einige, meist natürlich anonym, sagen.

Weit gefehlt: Aber dieses Urteil ist falsch und deshalb werde ich es kritisieren. Es ist nämlich nicht so, dass nur Journalistinnen und Journalisten und anonyme Kommentatoren Urteile kritisieren dürfen, sondern auch normale Menschen und erst recht Betroffene, insbesondere dann, wenn sie selber wissen, dass es eben anders war.

Dass es in den gegen mich geführten Verfahren anders läuft, zeigt die heutige Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung wieder in klassischer Weise. Der Journalist G., der inzwischen innerhalb der Redaktion aufgestiegen ist und der es in den letzten Wochen nicht einmal mehr für nötig gehalten hat, den Prozess zu verfolgen, insbesondere bei meinem Schlusswort nicht zugegen war, hat heute in seinem Kommentar deutlich gemacht, worum es eigentlich geht und worum es, das ist wenigstens meine Überzeugung, auch in diesem Verfahren ging.

Er lobt natürlich den starken vorsitzenden Richter Kimmerl in diesem Verfahren, der nun endlich so urteilt, wie er und die Süddeutsche Zeitung es sich schon immer gewünscht haben.
Also ein starker Mann, der mit dem „Sumpfgebiet in Regensburg“ endlich aufräumt. Und er tut dann etwas, was man mir nicht zubilligen will, er kritisiert in geradezu unverschämter Weise die vorsitzende Richterin Escher der sechsten Kammer für ihr Urteil im ersten Verfahren. Er tut das natürlich nur deshalb, weil ihm und vielen anderen das Urteil im ersten Verfahren nicht gefallen hat, weil sein Klischee des korrupten Politikers und einer korrupten Stadt nicht bedient wurde.
Aber jetzt endlich kommt ein Richter, der aufräumt, der genauso tickt wie er und dafür wird er gelobt.

Bei vielen Hobbyjuristen und anonymen Kommentatoren, bei Regensburg Digital und auch in Teilen bedauerlicherweise bei der Mittelbayerischen Zeitung war und ist es so. Ein Gericht ist nur dann gut, wenn es allgemeine Klischees und die eigene Meinung von Journalistinnen und Journalisten in den Urteilen abbildet. Das, was im Bayernteil der Süddeutschen Zeitung in den beiden Verfahren und davor abgeliefert wurde, ist schlimmer als das Niveau der Bild-Zeitung.
Journalistinnen und Journalisten, wie Herr G. oder auch Herr A. sind gute Menschen, die der Überzeugung sind, eigentlich sie selber müssten über Leute richten, wozu sie auch die Möglichkeit haben. Aber wenn ihnen ein Gericht dann auch noch recht gibt, dann lobt man das Gericht. Aber nur dann.
Wenn ein Gericht zu einem anderen Urteil kommt, dann beginnt man auch in diesem Zusammenhang einen Vernichtungsfeldzug, der sogar persönlich wird.
Ein normaler Bürger, ein Betroffener in einem Verfahren und schon gar nicht ein Politiker, der sich auch noch zur Wehr setzt, darf das, weil er eben nicht so klug, nicht so hintergründig und nicht so gut als Mensch ist, wie der ein oder andere Journalist.

Das Urteil der sechsten Strafkammer im ersten Verfahren hat mir nicht gefallen. Ich wollte einen Freispruch und bin in zwei Fällen der Vorteilsnahme verurteilt worden. Ich bin zwar straffrei geblieben, weil ein Verbotsirrtum unterstellt wurde und das Verfahren schon ausreichend Spuren bei mir hinterlassen hatte. Aber ich bin verurteilt worden.
Ich habe auch nie gesagt, dass mir dieses Urteil gefällt. Ich habe lediglich gesagt, dass ich es deshalb wie einen Freispruch empfinde, weil all die Punkte, wegen derer ich in Bezug auf vermeintliche Dienstvergehen oder die vermeintliche Annahme von privaten Vorteilen, mit denen mich insbesondere manche Journalisten monatelang gejagt hatten, vom Tisch gewischt und mit Freisprüchen versehen wurden.

Und das im Übrigen vor dem Hintergrund, dass die Mitglieder der sechsten Strafkammer sich mit allen Details beschäftigt hatten. Sie hatten mehr Aktenmaterial gelesen als die Ermittler selber, sie hatten sich offensichtlich alle Telefonate aus der Telefonüberwachung angehört, während die Ermittler maximal die in sehr vielen Fällen falsch verschrifteten Telefonate gelesen, vielleicht auch gehört hatten.

Die sechste Strafkammer hatte also zu 100 % die Ermittlungsarbeit geleistet und wusste alles. Die Betroffenen und die Zeugen wurden nach allen Regeln der Kunst zu allen Punkten befragt und durften sich äußern.
Die sechste Kammer hat sich dabei viel gefallen lassen, auch von mir, aber vor allem von einer Staatsanwaltschaft, deren Auftreten zunächst mit einer Einlassung eines Herrn, der wie ein Messias das Gericht kritisierte und dann jeweils mit zusätzlichen Aufpassern, an Arroganz und Überheblichkeit nicht zu überbieten war.

Aber diese Kammer hat sich eben in ihrer Verfahrensführung und in ihrem Urteil freigemacht von öffentlicher Vorverurteilung und sie hat in einer Art und Weise akribisch gearbeitet, wie man sich das als Betroffener, insbesondere dann, wenn man von der eigenen Unschuld überzeugt ist, nur wünschen kann. Bis zum Urteil im ersten Verfahren waren manche Journalistinnen und Journalisten und vor allem die anonymen Kommentatoren in sozialen Netzwerken davon überzeugt, jetzt werde er, gemeint war ich, endlich seine gerechte Strafe bekommen.
Nach dem Urteil war dann nicht mehr ich der Böse, sondern die sechste Strafkammer, weil sie eben nicht so geurteilt hatte, wie sich manche das gewünscht hatten. Weil sie eben frei war in der Ausübung ihres gesetzlichen Auftrages und nicht davon geprägt war, Klischees und die veröffentlichte Meinung zu bedienen.

Die Art und Weise, wie mit dieser Kammer, jetzt insbesondere in der Berichterstattung, aber auch durch die fünfte Strafkammer desselben Landgerichtes selbst umgegangen wird, ist an Überheblichkeit nicht zu überbieten, aber natürlich zulässig, weil es eben genau so passt.

Mir tut das gegenüber dieser Kammer, wie gesagt, die mich auch verurteilt hat, sehr leid. Ich weiß, dass es Staatsanwälte gibt, die Mitglieder dieser Kammer nicht mehr grüßen und dass es am Landgericht nicht gerade für Jubelstürme gesorgt hat, wie akribisch diese Kammer gearbeitet hat, weil damit Maßstäbe für die nötige Arbeit von Gerichten gesetzt wurden, die manchen nicht gefallen. Diese Maßstäbe müssten aber eigentlich für alle gelten, weil nur so gewährleistet ist, dass man der Wahrheit näherkommt und es wirklich um Gerechtigkeit geht.

Es ist auch bekannt, dass ich der fünften Kammer nie vertraut habe und ich war davon überzeugt, dass es zu einer Verurteilung kommen wird. Ich dachte aber niemals, dass es dabei um den Vorwurf der Bestechlichkeit, sondern maximal den der Vorteilsnahme gehen könne.

Ich habe dieser Kammer nicht vertraut, weil sie bereits im Vorfeld, als es um die Frage ging, ob es überhaupt ein zweites Verfahren mit denselben Vorwürfen geben dürfe, ihre Meinung ohne Begründung fallen gelassen hat, nur weil das Oberlandesgericht das Verfahren eröffnet hat.
Auch das ist eine Erfahrung, die ich in den letzten Jahren machen musste. Es geht oft nicht um eigene juristische Beurteilung, sondern wenigstens auch um die Frage, ob ein Obergericht eine eigene Entscheidung kassiert, was von manchen Richtern als persönliche Niederlage empfunden wird.

Dann habe ich gleich zu Beginn des Verfahrens gemerkt, dass sich die Kammer mit den Inhalten des Verfahrens, den Abläufen, den Akten offensichtlich nicht, zumindest nicht besonders intensiv beschäftigt hatte. Stattdessen hat man sich die Inhalte im Laufe des Verfahrens Zug um Zug erarbeitet. Das ist alles zulässig, weil Gerichte frei sind, aber sachgerecht ist es nicht.

Und natürlich habe ich gemerkt, dass das Gericht von Anfang an sehr viel Wert darauf gelegt hat, dass ja nicht der Eindruck entstehen wönne, die Kammer sei nicht Herr des Verfahrens, vielleicht würde die Staatsanwaltschaft ja sonst wieder mit einem Aufpasser in das Verfahren einrücken.
Also: Keine Emotionen, immer ruhig bleiben, keine Betroffenheiten an den Tag legen, einfach alles nur professionell über die Bühne bringen. Wie es einem Betroffenen dabei geht, spielt keine Rolle.

Und dann habe ich an bestimmten Fragestellungen, insbesondere an einer eines der beisitzenden Richter, der wohl auch Berichterstatter ist und damit eine zentrale Bedeutung hat, gemerkt, dass man schon festgelegt ist in der Beurteilung.
Wer mich fragt, dass ich doch hätte wissen müssen, dass es bei der Bebauung auf dem Gebiet „Auf der Platte“ um Luxuswohnungen gehen würde, während in Wahrheit bei all dem, was ich mit dem Thema zu tun hatte, nie von Luxuswohnungen die Rede war, der zeigt, dass man im Duktus schon klar ist: Der böse korrupte Bauträger, der nur an die eigene Kohle denkt, zieht den Oberbürgermeister über den Tisch, der sich bereitwillig bestechen lässt.

Diese Auffassung, das ist meine Überzeugung, war von Anfang an die Auffassung der Kammer und alles, was im Rahmen der Beweisaufnahme geschehen ist, wurde in diesem Sinne passend gemacht.

Ich war entsetzt, gestern da sitzen zu müssen und im Rahmen der Begründung zum Urteil miterleben zu dürfen, wie die eigenen Aussagen, aber auch Zeugenaussagen falsch wiedergegeben, falsch interpretiert oder auch gar nicht wahrgenommen wurden.
Aber das ist eben das Ergebnis, wenn in Strafprozessen nicht mitprotokolliert wird. Man schreibt sich im Zweifelsfall das auf, was man gehört haben will und vielleicht gerät auch einmal etwas in Vergessenheit.

Ich hatte bereits in meinem Eröffnungsstatement und auch in meinem Schlusswort deutlich gemacht, dass ich den Eindruck habe, dass es bei diesem zweiten Verfahren wenigstens nicht nur um die Wahrheit und um die eigentlichen Vorwürfe geht, sondern auch um einen Rachefeldzug an der sechsten Kammer.

Die Staatsanwaltschaft hat diesen Rachefeldzug geführt, weil sie im ersten Verfahren für dramatische Fehler und Grundrechtsverstöße kritisiert worden ist. Davon redet im Übrigen heute keiner mehr.

Die Fehler z.B. in der Telefonüberwachung, die zu falschen Annahmen und Anklagen geführt haben, wurden gestern gar nicht mehr thematisiert.
Die Tatsache, dass weder Gericht noch Staatsanwaltschaft Telefonate in das Verfahren vor der fünften Kammer eingeführt haben, die meine Unschuld bewiesen haben, spielt keine Rolle. Das mussten die Verteidiger tun.
Die Staatsanwaltschaft glaubt tatsächlich, Narrenfreiheit zu haben. Es stellt sich auch keiner die Frage, wie es denn sein kann, dass die geforderten Strafen für im Kern dieselben Vorwürfe zwischen viereinhalb Jahren vor der sechsten, und jetzt einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung vor der fünften Kammer variieren. So als würde man sie auswürfeln.

Dem Kommentar heute in der Mittelbayerischen Zeitung konnte ich etwas entnehmen, was ich so auch noch nicht wusste. Dort steht geschrieben, dass die Frage, wie Staatsanwälte agieren, auch etwas damit zu tun habe, welche Anwälte engagiert seien. Dort ist die Rede davon, dass, wenn man vermeintliche Staranwälte aus München engagieren würde, die Staatsanwaltschaft ein besonderes Bedürfnis habe, die „eigene Bastion“ zu halten.
Die Staatsanwaltschaft hat bisher immer so getan, als ginge es ihnen rein um die Sache und alles andere, insbesondere die jeweiligen Personen, würde man natürlich ausblenden.
Was stimmt denn nun: Das, was die Staatsanwaltschaft sagt oder das, was heute in der Zeitung steht. Die fünfte Kammer wollte mit diesem Verfahren ebenfalls die sechste Kammer in die Schranken weisen. Das war nach dem Motto: Jetzt kommen wir und zeigen euch einmal, wie es geht.
Es kommt nicht so sehr auf Genauigkeit, auf Aktenstudium und darauf an, alles wirklich erfassen zu wollen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, sondern mehr auf Verhandlungsführung, Stärke und die eigene Meinung.

Ohne Not, und das hat es besonders deutlich gemacht, hat die fünfte Kammer darauf hingewiesen, dass man die Frage des Verbotsirrtums völlig anders sehen würde als die sechste Kammer. Dieser Hinweis war nicht nur überflüssig, sondern selbst für einen Nichtjuristen verständlich, völlig unsachlich, weil Äpfel mit Birnen verglichen wurden. Aber darum ging es auch nicht. Es ging darum, zu zeigen, es gibt eben bessere Juristen.

Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass es irgendwann ein Medium gibt, das sich auch mit solchen Fragen auseinandersetzt.
Vielleicht gibt es Medien, die das bei anderen Fällen tun, wenigstens dann, wenn Journalistinnen und Journalisten sich einmal von einer Staatsanwaltschaft, einer Kriminalpolizei oder einem Gericht ungerecht behandelt fühlen.
Wenn es aber um den vermeintlich korrupten Politiker geht, dann ist damit nicht zu rechnen.

Auch wenn es immer und immer wieder versucht wird, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen, Klischees bedienen, Auflagen mit reißerischen Überschriften und Artikeln steigern zu wollen und der Betroffene doch endlich einmal schweigen solle, werde ich das so lange nicht tun, solange ich der Überzeugung bin, die Dinge, die man mir vorwirft, nicht getan zu haben.

Dass es dabei zunehmend weniger gibt, die das Rückgrat besitzen, das, was man hinter vorgehaltener Hand erzählt, auch öffentlich zu sagen, das nehme ich enttäuscht zur Kenntnis.

Ich werde auch nicht aus dem Fenster springen, wie es nach einer Zeugenaussage der in meinem Fall federführend tätige Kriminalbeamte prognostiziert haben soll.
Gnade mir Gott, wenn ich eine Äußerung dieser Art getätigt hätte. Eine wochenlange Berichterstattung wäre die Folge gewesen.

Ich bedanke mich von Herzen bei all denen, die mir in den letzten Tagen vor Urteilsverkündung, aber auch danach weiter Mut gemacht haben. Ich bedanke mich bei denen, die die Urteilsverkündung miterlebt haben, weil sie mir unisono anschließend bestätigt haben, dass die Konstruktion des verbliebenen Vorwurfs in keiner Weise nachzuvollziehen war.

Mir bleibt nichts mehr. Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, aber ich darf das eigentlich nicht tun, weil es ja weinerlich wirkt, dass ich alles verloren habe. Nun spekulieren Medien darüber, dass es doch gut sei, wenn ich auch noch Pensionsansprüche verlieren würde.
Immer weiter drauftreten, das macht Spaß und bringt Zuspruch.
Und die Süddeutsche Zeitung legt mir jetzt auch nahe, doch auf mein Stadtratsmandat zu verzichten. Für die Süddeutsche Zeitung ist nämlich nicht von Bedeutung, ob man ein Mandat hat, weil man gewählt worden ist und deshalb eine Verpflichtung hat, sondern für die Süddeutsche Zeitung ist nur wichtig, ob sie selber mit dieser Wahl einverstanden ist oder eben nicht.

Man muss mich nicht verstehen, aber ich habe gestern wieder ein Stück meiner Ehre verloren. Und das zu Unrecht, weil es anders war, als das Gericht meint. Und deshalb muss ich weiterkämpfen auf den wenigen Wegen, die mir verblieben sind und die zunehmend enger werden, weil nicht sein darf, was nicht ist bzw. war.

Ich brauche jetzt in den nächsten Wochen und Monaten vielleicht Jahren auch Hilfe, weil ich es anders nicht mehr schultern kann. Finanziell nicht und alleine sowieso nicht. Ich weiß, dass das total schwer ist, weil, wer sich mit mir einlässt, läuft Gefahr, dass ihm ein Makel anhaftet.
Ich hoffe dennoch, dass es auch weiterhin Menschen gibt, die zu mir halten und mir glauben. Das war für mich im Übrigen beim Urteil im ersten Verfahren mit das Wichtigste, dass ich denen, die mir geglaubt haben, sagen konnte: Jetzt seht ihr, dass ich nicht gelogen, sondern immer die Wahrheit gesagt habe.

Weniger denn je bin ich bereit, mich von irgendjemandem fertig machen zu lassen. Für gemachte Fehler bin ich immer eingestanden und werde das in Zukunft auch immer tun. Aber Dinge, die ich nicht getan habe, lasse ich mir nicht als Fehler anheften.

Wenn Sie mir in irgendeiner Weise helfen wollen und können, dann bin ich dankbar, wenn Sie sich bei mir melden.

Ich habe den Glauben daran verloren, dass einem irgendwann Gerechtigkeit widerfährt. Und ich habe den Glauben an viele rechtsstaatliche Vorgänge verloren. Aber ich habe nicht den Glauben daran verloren, dass Charakter und Rückgrat zählen und dass man sich wehren muss, wenn es nicht gerecht zugeht.

Bleiben Sie gesund und machen Sie´s gut. Alles Liebe und bis bald.

(Quelle: Joachim Wolbergs)

 

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(vl)

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